mein verspätetes weihnachtsgeschenk an mich:

Dass er der Welt als Live-Pianist abhanden kam, bedeutete für Gould überdies die finale Befreiung zur Einsamkeit. Nachts im Studio, nur er, ein Klavierstimmer und ein Techniker, bis fünf Uhr morgens – das war ein Leben!

Bazzana operiert meisterlich mit Leitmotiven, die er aber nicht künstlich einblendet – sie ergeben sich aus der staunenswerten Ereignislosigkeit des Lebens. Gould, eingefleischter Kanadier, liebte den Norden, hasste das Reisen, gewann gern beim Monopoly, ging selten mit Mädchen aus, hatte nur eine längere sexuelle Beziehung zu einer Frau und verhielt sich überhaupt ungesund. Er saß krumm und aß, was da war. Andererseits war ihm die Gesundheit ein ängstlich bewachtes Gut, er wappnete sich mit Bergen von Medikamenten, die ebenso anekdotisch zur Gould-Literatur gehören wie die stets dicken Mäntel und Handschuhe im Hochsommer. Es zählt zur tragischen Ironie seines Lebens, dass er 1982, mit 50 Jahren, an einem nicht schnell genug erkannten Schlaganfall starb.

Nie lässt sich Bazzana – das macht den Rang dieses epochalen Buches aus – auf nassforsche Deutungsmetaphorik ein. Er spekuliert nicht über die Fakten hinaus. Wenn er resümiert, tut er es scharf. So nennt er Gould »einen Enthusiasten, der sich die Erregbarkeit der Jugend bewahrt hat; er konnte keine neue Idee, keine neue Sache aufnehmen, ohne sich gleich für einen Experten auf dem Gebiet zu halten.« Genauer, heiterer, liebevoller ist der geheimnislos geerdete, immer den Himmel suchende Mensch Glenn Gould hinter dem gottvollen Klavierspieler noch nicht gewürdigt worden.
bambi (Gast) - 9. Jan, 16:28

Wie doch manche Menschen die Liebe erklären können, das macht den Wunderkinderglauben der Menschen, dass doch alles irgendwie gut sein könnte.